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Festivalbeitrag "Wolkenstein. Mobilisierun'" im Theater

Neuartige "mobile" Klänge

Experimentelles Musiktheater: Mit dem Stück "Wolkenstein. Mobilisierun'" von Thomas Witzmann wurde am Dienstag abend das zeitgenössische Festival fortgesetzt.

Der Monolog von Thomas Kling, eigens für das "szenische Konzept für mobile Klänge, Tänzerinnen und einen Sprecher" entwickelt, beschreibt Lebensstationen des Dichters und Musikers Oswald von Wolkenstein (1377-1445).

Der von Michael Ch. Autenrieth vorgetragene Text - der leider akustisch nicht immer ankam - wird von drei Pauken und drei Blechbläsern illustriert und vertieft. Die Paukenspieler rollen ihre Instrumente über die Bühne, die Bläser in Rollstühlen werden von den Tänzerinnen Lisa Bennett, Anina von Molnár und Barbra J. No über die Bühne geschoben. Für Hagens Ballett-Chef Richard Wherlock waren die choreographischen Aufgaben eher gering - die mobilen Musiker dominieren, machen die Eindrücke von Krieg und Zerstörung, Schmerz, Trauer und Resignation in neuartigen Klangassoziationen hörbar. Die wenigen Besucher, die sich ins Theater "verirrt" hatten, ließen sich von dem ungewöhnlichen Bühnengeschehen faszinieren. Gemeinsam ver-deutlichten Musik, lyrischer Text und Körperbewegung Machtstrukturen und ihre furchtbaren Auswirkungen in einer Gesellschaft, die heute noch genauso funktioniert wie im Mittelalter.

Westfälische Rundschau
10. Juni 1993
(doro)

 

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Wolkenstein. Mobilisierun'.

Vielleicht war es der seltsame Titel, mit dem man nichts Rechtes anzufangen wußte, vielleicht auch der Untertitel "Szenisches Konzept für mobile Klänge, Tänzerinnen und einen Sprecher", der anläßlich des 2. Beitrages im Rahmen zeitgenössischer Musik ein gähnend leeres Haus bescherte. Dabei war die 75minütige Darbietung keineswegs verlorene Zeit. Man muß schon im Lexikon nachschlagen, wer dieser Oswald von Wolkenstein war. Der 1377-1445 lebende spätmittelalterliche Lyriker bildete eine Art Gegenpol zum Minnesang, der damals die Zeit seiner Hochblüte längst überschritten hatte.

Der Text von Thomas Kling thematisiert in Monologform das abenteuerliche Leben dieses Mannes, das einer Reisebeschreibung gleichkommt. Thomas Witzmann, studierter Schlagzeuger, schuf dazu einen klangli-chen Untergrund in einer Besetzung für eine Trompete, zwei Posaunen und drei Kesselpauken. Was sich bizarr anhört, hat durchaus seinen Reiz. Die Klangvielfalt, die durch die sechs Musiker hervorgerufen wird, ist er-staunlich, interessant und streckenweise durchaus packend.

Der zweite Teil des Titels "Mobilisierun" ohne "g" am Ende, bezieht sich nicht nur auf die vielen Reisen des Titelhelden, sondern auch auf die mobilen Akteure. Da schieben die drei Schlagzeuger ihre Kesselpauken ständig vor sich her, da werden die Blechbläser in Rollstühlen von drei Ballettdamen über die Bühne gescho-ben. Was sich im ersten Moment albern anhört, eröffnet aber - je nach Richtung - ganz unterschiedliche Klangmöglichkeiten. Abgesehen von dem Rezitator, dessen Sprachkultur etwas zu wünschen übrigließ, fesselte die musikalische Seite im Wechsel von Stille, Geräuscharmut, Soli, Terzetten und zwei ausgezeichneten En-sembles durchaus.

Wochenkurier
16. Juni 1993

 

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Horizontverengung

Musiktheater im Wilhelma-Theater

Auf der schwarzen Bühne werden zwei in Rollstühlen kauernde Posaunisten und ein Trompeter von Kranken-schwestern umhergeschoben. Während sie zunächst nur endlose, schwermütige Klänge hervorbringen, finden sie mehr und mehr zu einer gemeinsamen Sprache, die schließlich in eine Art folkloristische Jam Session mit den drei Pauken mündet, die ebenfalls seit geraumer Zeit grummelnd durchs Dunkel ziehen. Derweil sitzt der Schauspieler Michael Autenrieth wie Dr. Seltsam vorm Mikrophon und bramarbasiert mit von Thomas Kling nachempfundenen Texten des Tiroler Reise- und Dichter-Ritters Oswald von Wolkenstein über Länder, die Frauen, die Kriege und Schädelverletzungen.

Das leicht rätselhafte Stück mit dem Titel "Wolkenstein. Mobilisierun'" ist wohl als Kritik am Touris-mus zu verstehen, der den Menschen geistig verkrüppeln läßt und seinen Horizont eher einschränkt, als ihn zu erweitern. Sein Komponist und Regisseur Thomas Witzmann, Stipendiat der Akademie Schloß Solitude, hat mit Hilfe des äußerst talentierten Choreographen Richard Wherlock vom Hagener Ballett und der einfallsrei-chen Lichtgestalterin Antje Camila Diekow eine sehr langsame, bedrückende Aufführung geschaffen, der er nur zwei Mal, wenn sich die Krankenschwestern als Arme und Beine schleudernde Tänzerinnen Lisa Bennett, Anina von Molnár und Barbra J. No entpuppen, ein Ausbrechen aus der Lethargie gestattet.

Am Ende der 60 Minuten beherrscht bei der Voraufführung im Wilhelma-Theater nur noch Instrumen-tenmüll die Bühne. Die eigentliche Uraufführung wird am 18. Mai in Köln sein, wo der WDR die Produktion aufzeichnet.

Stuttgarter Zeitung
19. April 1993
(B. K.)

 

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