Sensibel zugeschlagen
Thomas
Witzmanns ungewöhnliche Perkussion im Kölner Domforum.
Architektur und Akustik eines Konzertsaals beeinflussen den Klang
einer Sinfonie ganz erheblich, und umgekehrt kann der Raum selbst Teil des
Kunstwerks sein. Bei der Musiktriennale wurde das Domforum nicht nur als
Aufführungsstätte genutzt, sondern selbst zu einem Klangkörper
umfunktioniert. Thomas Witzmann, Komponist und Schlagzeuger, entwarf im
Auftrag der Musiktriennale eine akustisch-visuelle Inszenierung des
Domforums.
In seiner „Um Formung“ entlockte das Schlagquartett Köln dem
Gebäude verschiedenartigste Klänge: Fenster, Geländer und andere
Gegenstände wurden mit Schlagwerkzeugen und perkussiven Techniken
bearbeitet und zum Klingen gebracht. Auf die fünf Stockwerke und den
verglasten Lichthof verteilt, vermittelten die Aktionen ein mit räumlicher
Nähe und Distanz spielendes Klangbild. Den akustischen Ereignissen stellte
Witzmann theatralische Elemente an die Seite, umgesetzt von Chrystel
Guillebeaud, Dulce Jiménez-Sedano, Fernanda Bravo und I-Fen Lin in einer
Choreographie von Rochus Aust.
„Um Formung“ bedeutete auch die Verlagerung des Geschehens vom
Gebäudeinneren nach draußen: Die schwarzen Matten auf den rautenförmigen
Glasfenstern, anfangs den Raum wie eine Wand nach außen begrenzend, wurden
nach und nach abgenommen, so dass sich nach und nach die Sicht auf die
Domplatte öffnete. Die Glasfront wurde so zur durchlässigen Membran, das
Gebäude zu einem offenen System mit eigenem Innenleben, aber auch einer
nach außen gerichteten Wahrnehmung. Frappierend und zugleich witzig die
wechselseitige Beobachtung von Innen- und Außenwelt: Passanten auf der
Domplatte, teils unwissend vorbeigehend, teils neugierig das Innere
beobachtend, wirkten wie unfreiwillige Teilnehmer eines absurden Theaters.
Vergnügter Beifall für eine kurzweilige Performance.
Andreas Günther, Kölner Stadt-Anzeiger, 05.05.04 |
Performance im Domforum
"Umformung" nennt der Komponist und Schlagzeuger Thomas Witzmann
seine Performance, die vom 30. April bis 2. Mai im Rahmen der
MusikTriennale Köln auf der Kölner Domplatte uraufgeführt wurde. Mit
tänzerischen und musikalischen Interpunktionen sucht der Komponist auf dem
kargen Platz nach verschütteten Qualitäten im Schatten des Kölner Doms.
Kaum ein vorbeieilender Passant bemerkt, dass dieser Ort mit seiner
900-jährigen Geschichte von einem zurückhaltenden, aber feinsinnigen
Nachkriegsensemble umgeben ist. Die heute denkmalgeschützte ehemalige
"Bank für Gemeinwirtschaft" wurde von Fritz Schaller 1952-55 als
Eckbebauung vis-à-vis der Westfassade des Doms errichtet. Nach dem Auszug
der Bank wurde das Gebäude 1995/96 in Zusammenarbeit mit dem Kölner
Architekten Christian Schaller zu einem Informationszentrum des Erzbistums
umgebaut. Heute finden im Foyer des "Domforum" auch öffentliche
Veranstaltungen statt, unter anderem Diskussionen über städtebauliche
Themen.
Am Abend der Aufführung bildet sich vor dem Gebäude eine Menschentraube,
im Innern versammeln sich die zahlenden Konzertbesucher. Nach und nach
entfernen Tänzerinnen eine temporäre Pappverkleidung von der netzartigen
Rautenstruktur der Glasfassade im Erdgeschoss. Versteckt hinter den
Pappen, stellen sich die in leuchtend rote Kleider gehüllten Tänzerinnen
auf dem Platz zu immer neuen Formationen in der Menschenmenge auf. Erst
auf den zweiten Blick wird deutlich, dass dem lautlosen Geschehen auf dem
Platz ein Konzert im Innern des Domforums gegenübersteht. Die Passanten
auf dem Platz und die Konzertbesucher im Foyer blicken sich an. Gelächter
auf beiden Seiten der Glasfassade, die für die vier Vorstellungen nicht
nur Außenhaut, sondern klingende Membran des
"Architektur-Musikinstruments" von Thomas Witzmann ist. Fassade, Atrium,
Geländer, Innenausbauten und selbst Regenrohre funktioniert der Komponist
zu Resonanzkörpern um. Vier Schlagzeuger entlocken ihnen mit trommelnden
Schlägeln vertraut und doch befremdlich klingende Töne.
Im dunkel verhüllten Foyer beginnt die Vorstellung ähnlich einer
Wagner´schen Ouvertüre mit dramatischen Trommeln aus dem "Untergrund". In
das Konzert von Glastür und Einrichtungsgegenständen im Keller stimmt ein
tiefes, dröhnendes Quietschen der Glasscheiben im Obergeschoss ein, die
sich im vierstöckigen quadratischen Atrium über dem Foyer erheben.
Begleitet vom Flackern und Klicken der Leuchtstoffröhren steigen die vier
Schlagzeuger mit immer schneller werdendem Rhythmus auf den kreirunden
Umgang im ersten Stock hinunter. Bewegung, Raum und Musik vereinen sich zu
einer "skulpturalen Musik", die sich mit ihrem Vierteltakt auf die durch
vier Stockwerke und vier Stützen im Foyer bestimmte Architektur bezieht.
Auch wenn die Spannung der Inszenierung sich streckenweise in
detailverliebten und verspielten Gags verliert, zieht das Finale alle
Zuschauer in seinen Bann. Das gesamte Haus vibriert unter den Schlägeln
der Musiker, die außen auf die Fassade trommeln. Als Teil des
Resonanzraums erleben die Zuschauer sozusagen im Inneren des
"Architektur-Instruments" den krönenden Abschluss der Inszenierung, die
alle Winkel des in die Jahre gekommenen Baudenkmals mobilisiert.
Bettina Schürkamp, Bauwelt, 01.05.2004
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